Đỗ Anh Lân
Hamburg

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

Ich freue mich sehr, besonders heute hier stehen, und vor Ihnen und euch reden zu können.

Heute ist ein besonderer Tag, ein historischer Tag für uns, denn wir haben für Châu und Lân ganze 10 Jahre gekämpft. Ein sehr langer Kampf, aber dieser war nicht umsonst. Wir haben viel Unterstützung von den Behörden und PolitikerInnen und Politikern sowie von Freunden bekommen, die Druck gemacht haben, damit wir heute hier die Straßenumbenennung erleben können.

Ein Teil der Halskestraße wird nach den Nguyen Ngoc Châu und Dõ Anh Lân umbenannt, die vor 44 Jahren Opfer eines feigen Brandanschlags in der Nacht vom 20.08.1980 ums Leben gekommen sind. Wer hätte das gedacht, eine Geschichte, die vor 44 Jahren scheinbar in Vergessenheit geraten ist, wird heute lebendiger denn je.

Liebe Châu und Lân. Man wollte euch vergessen, weil ihr es ihnen nicht wert seid. Das ist unmenschlich. Was weg ist, ist weg, ihr seid nicht ihre Verwandten oder Freunde, sondern in deren Augen nur eine flüchtige Begegnung. Mehr nicht. Was ihr durchgemacht habt, interessiert niemanden mehr. Heute stehe ich hier unter eurem Straßenschild Châu-und Lân-Straße und ich bin sehr stolz auf euch.

Ihr seid die ersten Vietnamesen, die eine Straße in Deutschland bekommen. Das ist eine große Ehre für euch und für uns.

Jetzt bleibt ihr ewig lebendig und man kann eure Namen nicht mehr wegwischen, auch wenn es irgendjemand wollte.

Wir werden euch nie vergessen. Ich danke euch für alles.

Map data ©2023 GeoBasis-DE/BKG (©2009)
Map data ©2023 GeoBasis-DE/BKG (©2009)

Im August 2015 jährt sich zum 35. Mal der rassistische Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in der Hamburger Halskestraße, dem die beiden Vietnamesen Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân zum Opfer fielen. Verübt wurde der Anschlag in der Nacht zum 22. August 1980 von zwei Mitgliedern der terroristischen Neonazigruppe „Deutsche Aktionsgruppen“. Bis heute erinnert in Hamburg nichts an den Tod von Đỗ Anh Lân und Nguyễn Ngọc Châu. Die ehemalige Flüchtlingsunterkunft ist inzwischen ein Hotel. Im August 2014 fand erstmals eine Gedenkkundgebung in der Halskestraße statt. Es wurde eine Gedenktafel errichtet, verbunden mit der Forderung, die Erinnerung an den Mordanschlag wieder ins städtische Gedächtnis zu rufen und eine angemessene und dauerhafte Form des öffentlichen Gedenkens an die Opfer zu finden. Das Hotelmanagement ließ die Tafel innerhalb weniger Stunden entfernen. Damit wollen wir es aber nicht enden lassen. Deshalb hat sich im Anschluss an die Gedenkkundgebung die Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân gegründet. Wir wollen erreichen, dass diese jahrzehntelang unbeachteten und verdrängten Morde als Teil der Hamburger Geschichte öffentlich wahrgenommen und anerkannt werden und die Erinnerung daran gewahrt wird. Dafür muss eine dauerhafte, sichtbare Form im öffentlichen Raum gefunden werden.

Warum sind das Gedenken und die Erinnerung wichtig? In der Auseinandersetzung um die Erinnerung an die Opfer rassistischer Morde gilt es, Position zu den Taten zu beziehen und Solidarität gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen zu zeigen. Vergessen bedeutet in diesem Fall, die Taten durch Desinteresse zu dulden. Sich erinnern heißt, die Voraussetzung dafür zu verbessern, Neonazismus und Neonazis zu ächten. Sich erinnern heißt auch, die rassistischen Grundströmungen zu bekämpfen, die gesellschaftlich und institutionell wirksam sind.

Rassistische Gewalt ist allgegenwärtig. Angesichts der hohen Zahl der durch Neonazis verübten Morde im gesamten Bundesgebiet ist die Erinnerung daran erschreckend wenig präsent. Die wenigen Straßenumbenennungen, Denkmäler oder Gedenktafeln, die es gibt, wurden oft gegen große Widerstände durchgesetzt. Häufig entsprechen sie nicht den Wünschen der Angehörigen oder sind in der Form und inhaltlichen Aussage unbefriedigend. Wir wollen keine institutionalisierte Erinnerungskultur, die jegliche Verantwortung von sich weist. Wir werden staatliche Institutionen jedoch auch nicht aus der Verantwortung für die Geschichte entlassen.

Sich erinnern heißt, die Opfer aus der Anonymität der Tat zu reißen, ihnen wieder Namen und Gesichter zu geben und ihre Geschichten zu erzählen.

Daher fordern wir:

  • Die Umbenennung der Halskestraße nach Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân.
  • Die entsprechende Umbenennung der Bushaltestelle am Tatort.
  • Eine fest installierte Gedenktafel, die die Ereignisse dokumentiert und an die beiden Opfer erinnert.

Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân https://inihalskestrasse.blackblogs.org/author/inihalskestrasse/