(Engin) Um ca. 3:30 Uhr - 4:00 Uhr in der Früh haben wir am Rand der Sperrzone immer noch auf Informationen gewartet. Bis meine Frau Yasemin angerufen wurde. Es hieß wir sollen zu einem Restaurant kommen. Da ist ein Zelt aufgebaut. Das Restaurant war aber auf der anderen Seite des abgesperrten Bereichs. Wir mussten also über den gesamten Tatort laufen. Wir konnten ja nicht durch mit dem Auto. Wir sind 1 km zu Fuß gelaufen, obwohl wir genau wussten, warum wir dorthin müssen. Und in der ganzen Zeit ist direkt neben uns ist im Schritttempo ein Polizei-Bus gefahren. Die Polizisten sind mit gezogener Waffe und offener Schiebetür dringesessen, die Waffe haben Sie auf uns gerichtet. Anstatt uns zu helfen, sind sie neben uns hergefahren.
(Yasemin) Vor Ort in diesem Zelt waren dann ein Beamter und ein Therapeut, die auf uns gewartet haben. Wir sagten, wir suchen unseren Sohn Selçuk. Der Beamte verließ den Raum und kam nach 10 Minuten zurück, um uns die schlimmsten Fragen unseres Lebens zu stellen: Hatte er in seinem Geldbeutel seinen Krankenversicherungsausweis? Hatte er einen Zopf? Hatte er einen Ohrring? Nach dem wir jede Frage mit ja beantwortet haben, haben sie uns gesagt, dass unser Kind tot ist. Wir konnten es nicht fassen. Mein Mann ist ausgerastet. Ich bin zusammengeklappt. Keine zwei Minuten nach dem wir uns ein bisschen beruhigt hatten, haben sie gesagt wir sollen nach Hause fahren.“
(E) Wir hatten keine Kraft mehr, zu unserem Auto zu laufen. Natürlich gab es auch kein Taxi. Wir haben den kürzesten Weg genommen, also mussten wir wieder am Tatort entlanglaufen. Aber die Beamten haben uns gestoppt. Wir haben denen unsere Lage erklärt. Wir wollten einfach nur nach Hause. Aber die wollten es nicht verstehen. Dann wurden wir mit Waffen bedroht.
(Y) In den Stunden und Tagen danach haben wir keinen Besuch von Fachstellen, Behörden oder der Polizei bekommen. Das erste Mal, dass wir einen Beamten nach dem Anschlag gesehen haben, das war ein Polizist, der vor unserer Haustür Strafzettel verteilt hat. An unsere Familienangehörigen und Freunde, also an alle die gekommen waren, um bei uns zu sein und ihre Autos vor unserer Wohnung geparkt hatten.
(E) Und nicht einmal 2 Monate nach der Tat zeichnet der Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) die Pressestelle der Polizei München für ihre Kommunikationsarbeit mit dem Sonderpreis „Goldener Apfel“ aus.
(Y) Ein Täter - ein 18-jähriger - spielt fast drei Stunden mit 2300 Polizeikräften ein Katz- und Maus-Spiel und die Polizei bekommt einen goldenen Apfel dafür.
(E) Im Waffenhändlerprozess wurden wir als Nebenkläger nicht Ernst genommen. Unsere Forderungen nach Aufklärung wurden als emotionale Reaktion abgetan. Unsere Beweisanträge wurden zum Großteil abgelehnt. Das Gericht, vorallem der Richter, wollte uns auf keinen Fall zuhören. Wir wurden behandelt als wären wir die Schuldigen. Der Waffenhändler wurde wie ein Opfer dargestellt. Diese Gerichtsverhandlung war eine Katastrophe für uns.
(Y) Uns wurde in dem Moment klar, dass dieser Anschlag als Amoklauf gelten sollte und keine Beweisanträge angenommen werden, die für weitere Aufklärung sorgen könnten. Obwohl alle 3 wissenschaftliche Gutachten der Stadt München das Tatmotiv Rechtsextremismus benannt haben, hat das LKA-Gutachten die Tat als Amoklauf bezeichnet. Diese Bezeichnung als „Amoklauf“ wurde in alle Köpfe geprägt und in den Medien verbreitet. Der Rassismus und die politische Motivation der Tat wurde von Polizei und Regierung unter den Tisch gekehrt.
Später folgte der Prozess gegen den Inhaber der Darknetplattform, auf der der Waffenhändler und der Täter sich vernetzten. Beim Prozess gegen diesen Darknet-Betreiber erlebten wir wieder keinen Willen zur Aufklärung, Gerechtigkeit oder Konsequenzen. Wieder wurde uns nicht zugehört und nicht geholfen. Stattdessen kommt es zu unglaublichen Ermittlungsfehlern. Der führende IT-Spezialist verwechselt beim Datensichern das Kabel seiner Waschmaschine und des Server. Alle Daten sind verloren gegangen. Die Beweismittel weg. Auf unsere Empörung im Gerichtssaal wurde geantwortet - eine Entschuldigung müsse reichen.
(E) Wir wussten von Anfang an, dass es kein Amoklauf war. Aber nach all dem hatten wir keine Kraft mehr weiterzukämpfen. Erst 2022 haben wir gesehen, dass die Opferfamilien jetzt Unterstützung haben. Bei der Ini, durch die Medien. Und das endlich die Wahrheit gesagt wird. Wir wollen, dass dieser Anschlag endlich, lückenlos aufgeklärt wird! Wir wollen als Eltern von Selcuk Kilic, wollen dass alle Verantwortlichen ihre gerechte Strafe erhalten. Und wir werden so lange kämpfen bis wir unsere Ziele erreichen.
(Y) Wir hoffen, dass kein Hinterbliebener der Welt in so eine Situation kommen muss. Die Situation in der wir als Angehörige um Hilfe betteln müssen, um einen Kampf gegen das Vergessen und für die Gerechtigkeit zu führen.
Als ich erfuhr, dass ich dich erwarten würde, war ich voller Freude und Aufregung. Du warst mein erstes Kind mein größtes Geschenk mein erstes großes Abenteuer als Mutter vom ersten Moment an, als ich dich in mir wachsen spürte, war da eine tiefe Verbindung zwischen uns. Du warst der Anfang meiner Reise, als Mutter und ich war so stolz drauf, dich in mein Leben willkommen zu heißen. Ich erinnere mich noch so gut an all die kleinen Dinge, wie du mir nachts sind Schlaf geraubt hast, als du noch ein Baby warst, wie ich dein erstes Lächeln gesehen habe, wie du mit deinen kleinen Händen nach mir gegriffen hast jeden Moment miteinander verbracht haben, ist in meinem Gedächtnis eingraviert von deinen ersten schütten bis zu deinen letzten Worten. Du warst nicht nur mein Kind, sondern auch mein bester Freund, mein Vertrauer und mein größter Lehrer.
Als du älter wurdest, hab ich gesehen, wie du deinen eigenen Weg gegangen bist. Du warst neugierig, mutig, voller Energie und voller Träume. Du hattest ein Art, die Menschen, um dich herum zu berühren, sie zu inspirieren und Ihnen ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. du hast so viel in meinem Leben verändert, die Welt mit anderen Augen zu sehen deine Augen ich vermisse dich so sehr Selcuk das es schmerzt. Es gibt keine Worte, die den Schmerz beschreiben können, denn ich seit dem Tag, an dem du gegangen bist, in mir trage. Jeden Tag wache ich auf und hoffe, dass es nur ein Albtraum war, dass zugleich durch die Tür kommst und mich mit deinem Lächeln begrüßt.
Du hattest Träume, Ziele und eine Zukunft vor dir, die dir durch sinnlosen Hass und Gewalt genommen wurde. Der Verlust, den ich jetzt empfinde, ist unbeschreiblich kein Elternteil, sollte sein Kind verlieren und schon gar nicht auf dieser Weise. Es tut mir so leid, dass ich dich nicht schützen konnte, dass ich nicht verhindern konnte, was passiert ist, ich stelle mir vor wie du im Himmel lächelst, umgeben von Liebe und Wärme. Vielleicht schaust du auf uns herab und siehst, wie sehr wir dich vermissen. Und wie sehr wir dich lieben. Ich glaube fest daran, dass unsere Seelen irgendwann wieder vereint sein werden. Es gibt Tage, an denen der Schmerz überwältigend ist, an denen die Trauer mich zu ersticken droht, aber dann erinnere ich mich daran, dass dies nicht das Ende ist. Wir werden uns wieder sehen und in diesem Wissen finde ich die Kraft, weiterzumachen, in ewige Liebe und Vorfreude auf unsere Wiedersehen, deine Mutter.
Dein Vater, der so stolz auf dich war, kämpft ebenfalls mit diesem unvorstellbaren Schmerz er vermisst die Gespräche, die er hattet die stillen Momente, in denen ihr einfach zusammen wart es gibt Tage wirkt weil er nicht mehr weiß, wie er ohne dich weitermachen soll aber trotz allen hält er an der Liebe fest, die niemals erlösen wird.
Du bist nicht mehr da für deine Brüder und das ist eine Lücke, die niemand füllen kann. Sie vermissen dich jeden Tag dein Rat dein Lachen, die Art, wie du immer für die da warst, wenn sie dich brauchten ihr Band war stark und jetzt spüren Sie den Schmerz des Verlustes noch intensiver, weil du immer ein wichtiger Teil ihres Lebens warst. Es ist schwer für sie zu verstehen, warum du nicht mehr bei uns bist. Sie suchen nach dir in den kleinen Erinnerungen in den Gesprächen, die sie noch in ihren Gedanken mit dir fühlen. Deine Brüder haben so viel von dir gelernt. und sie schauen immer noch zu dir auf, auch wenn du nicht mehr hier bist, um Ihnen den Weg zu zeigen. Es gibt Momente, in denen sie sich besonders vermissen, wenn sie etwas erleben, dass sie mit dir teilen wollen, wenn sie einen Rat brauchen oder einfach nur deine Nähe spüren möchten. Diese Momente sind jetzt von einem tiefen Traurigkeit erfüllt, weil sie wissen, dass sie dich nicht mehr anrufen oder umarmen können. Du warst ihr großer Bruder. ihr Vorbild, ihr Freund. Deine Abwesenheit hat ein Loch in ihre Welt zerrissen, und sie müssen lernen, damit umzugehen, ohne dich an der Seite zu haben.
Du hast dich als Löwe genannt, und das warst du auch - mutig, stark und voller Stolz. Ich erinnere mich so gut daran, wie du immer gesagt hast, dass du ein Löwe bist, dass nichts und niemand dich erschüttern kann. Es war deine Art zu zeigen, dass du kämpfen kannst, dass du Herausforderungen mit erhobenem Haupt begegnest.
Dieser Löwe in dir hat dich durch so viele Situationen getragen.
Du warst furchtlos und hast nie aufgegeben, selbst wenn die Dinge schwer wurden. Du hast für das gekämpft, woran du geglaubt hast, und du hast uns alle inspiriert, ebenfalls stark zu sein, egal was kommt.Es tut weh, dass du jetzt nicht mehr hier bist, aber wenn ich an dich denke, sehe ich immer noch diesen Löwen vor mir. Dein Mut und deine Stärke leben weiter in den Erinnerungen, die du uns hinterlassen hast. Du hast uns gezeigt, wie man mit Würde und Mut durchs Leben geht, und dafür bewundere ich dich mehr, als Worte ausdrücken können. Dein Löwenherz hat so viel Liebe und Wärme ausgestrahlt, und ich weiß, dass du auch jetzt noch über uns wachst, wie ein Löwe, der seine Familie beschützt. Auch wenn du nicht mehr bei uns bist, bleibt dein Geist stark und mutig in unseren Herzen.
Du warst und bleibst unser Löwe, und dieser Teil von dir wird für immer bei uns sein. In deiner Stärke finde ich den Mut, weiterzumachen, und in deiner Erinnerung die Kraft, die du uns allen gegeben hast.
Die Kleidung, die du zuletzt getragen hast, war nicht nur blutverschmiert, sondern auch von Einschusslöchern durchbohrt – grausame Beweise für die Gewalt, die dir angetan wurde. Diese Löcher erzählen eine Geschichte, die schwer zu ertragen ist, eine Geschichte von Schmerz und Verlust, die für immer in diesen Stoff eingeprägt ist.
Jedes dieser Löcher steht für einen Moment der Unmenschlichkeit, für das Unfassbare, das dir widerfahren ist. Es ist kaum zu begreifen, dass diese Kleidungsstücke, die einst einfach nur ein Teil deines Alltags waren, nun zu stummen Zeugen eines unfassbaren Verbrechens geworden sind. Sie tragen nicht nur die Spuren deines Blutes, sondern auch die Spuren des Hasses und der Gewalt, die dein Leben auf so brutale Weise beendet haben.
Es ist schwer, diese Kleidungsstücke anzusehen und nicht von Trauer und Wut überwältigt zu werden. Die Einschusslöcher machen den Verlust noch realer, noch schmerzlicher. Sie sind ein greifbares Symbol für das, was dir genommen wurde – dein Leben, deine Zukunft, all die Momente, die du noch hättest erleben sollen.
Trotz der unermesslichen Trauer werde ich diese Kleidungsstücke bewahren, so schwer es auch sein mag. Sie sind ein Teil deiner Geschichte, so dunkel sie auch ist, und sie erinnern mich daran, dass dein Leben durch eine schreckliche Tat beendet wurde. Diese Kleidung trägt die Narben deines letzten Kampfes, und ich werde sie aufbewahren, um deine Erinnerung zu ehren und niemals zu vergessen, was dir widerfahren ist.



(Yasemin) Ich habe Selçuk immer als meinen Sonnenschein bezeichnet. Er war was ganz besonderes.
(Engin) Als Selçuk auf die Welt kam waren wir selbst noch Kinder. Ich war Zwanzig und Yasemin Achtzehn. Wir sind zusammen aufgewachsen und wir haben von Selçuk viel gelernt.
(Y) Er war für uns wie ein Freund. Wenn wir beide arbeiten waren hat er auf seine kleinen Brüder aufgepasst.
(E) Er war eine verantwortungsbewusste Person; ein Vorbild für andere. Andere Eltern aus unserem Umfeld haben zu ihren Kindern gesagt: Nimm dir ein Beispiel an Selçuk! Weil er so respektvoll war.
(E) Bei uns in der Familie hat er eigentlich immer die großen Familienentscheidungen getroffen; Schon mit 13/14 hat er lieber mit uns Erwachsenen gesessen und diskutiert, als am Tisch mit den Jüngeren zu sitzen.
(Y) Er hat uns in jeder Situation zum Lachen gebracht und Ideen gegeben. Er hat sich selbst als Löwe bezeichnet. Er war sehr sportlich. Schon mit vier Jahren hat er Thai Boxen angefangen und nur ein Jahr später mit dem Fußball. Schon im Kindergarten war er sehr beliebt. Deswegen war unser zu Hause immer voll.
(E) Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir mit ihm Probleme hatten, sagt sein Vater. Er hat uns nie etwas verheimlicht, er war immer offen und mutig.
(E) Er wollte später auch bei BMW arbeiten, so wie ich. Sein Traumauto war ein Einser BMW. Deswegen habe ich ihn einmal mitgenommen auf die Arbeit und wir haben extra für ihn ein Fahrzeug konfiguriert. Ich habe alles für Selçuk getan. Von unserer Familie und Freunden wurde ich geschimpft. Sie haben gesagt du verwöhnst ihn zu sehr. Das kannst du nicht machen. Aber ich musste es. Wenn das neue iPhone rausgekommen ist bin ich los und habe es ihm gekauft. Ich wollte das er alles hat. Ich wollte ein Vater sein, der immer für ihn da ist.
(Y) Seinen letzten Geburtstag hat er mit über zwanzig Freunden zu Hause gefeiert. Er wollte unbedingt zu Hause feiern. Wir haben als Eltern ihm die Wohnung überlassen und waren bis Mitternacht unterwegs. Wir haben sogar zusammen Quatsch gemacht. Besonders 2016 kurz vor der Tat. Wir sind zum Beispiel in den BMW gestiegen; Ich als Mutter bin gefahren, wir haben die Musik extra laut aufgedreht und sind durchs Viertel gefahren. Selçuk war sehr hübsch. Wunderschön. Er war groß. Kräftig und trainiert. Er liebte es längere Haare zu haben. Die trug er in einem Zopf. Er hatte einen Ohrring. Sein Traum war es sich irgendwann ein Löwen-Tattoo stechen zu lassen. Er hat sehr auf sein äußeres geachtet. Gepflegt aus dem Haus zu gehen war ihm wichtig.
(E) Er war ein Mutter Kind. Was ich damit meine – er hat immer seine Mutter geschützt. Und Sie konnte nicht eine Nacht ohne ihn aushalten.
(Y) Es tut uns so weh, dass wir an dem Tag nicht da sein konnten und dich nicht beschützen konnten.